Volkskrankheit Migräne – ein unterschätztes Leiden
Eine Krankheit mit vielen Gesichtern
Die internationale Kopfschmerzklassifikation kennt heute mehr als 300 unterschiedliche Kopfschmerzformen, darunter mehrere Varianten der Migräne. Am häufigsten sind:
- Migräne ohne Aura, die von intensiven, meist halbseitigen Kopfschmerzen, begleitet von Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit, geprägt ist.
- Migräne mit Aura, bei der neurologische Symptome – etwa Sehstörungen, Sprachprobleme oder Gefühlsstörungen – den Kopfschmerz einleiten.
Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch, also auf Basis einer sorgfältigen Anamnese und Befragung der Patient*innen. Bildgebende Verfahren wie MRT dienen meist nur dem Ausschluss anderer Ursachen. „Wesentlich für die Therapie ist die Unterscheidung zu anderen Kopfschmerzformen, wie Spannungskopfschmerzen oder Clusterkopfschmerzen“, erklärt Prof. Lampl.
Innovative Ansätze in der Schmerzbekämpfung
Während sich die Behandlung jahrzehntelang auf unspezifische Schmerzmittel stützte, steht heute ein neues therapeutisches Repertoire zur Verfügung. Monoklonale Antikörper, die gezielt das Migräne-auslösende Molekül CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) blockieren, bieten Betroffenen mit häufigen und schweren Attacken neue Hoffnung. Zudem wurden in den letzten Jahren neue Medikamente entwickelt, die ebenfalls das CGRP-System hemmen – sogenannte orale CGRP-Blocker. Im Unterschied zu den Antikörpern, die ausschließlich zur Vorbeugung injiziert werden, werden diese als Tabletten eingenommen und wirken sowohl vorbeugend als auch im akuten Migräneanfall.
Neue Hoffnung für Migränepatient*innen
Neue Ansätze wie etwa die Blockade des Moleküls PACAP-38 sowie die Beeinflussung bestimmter Ionenkanäle (KATP-Kanäle), die die Spannung der Blutgefäße im Gehirn regulieren, gelten als vielversprechende neue Therapieformen. Sie befinden sich allerdings noch im Entwicklungsstadium.
Prof. Lampl betont auch, dass eine rein medikamentöse Therapie oft nicht ausreicht:
„Eine erfolgreiche Migränebehandlung bedeutet immer auch die Berücksichtigung von Lebensstilfaktoren. Dazu gehören beispielsweise eine gute Schlafhygiene und Stressbewältigung, regelmäßige Bewegung, Biofeedback, Entspannungstechniken und Verhaltenstherapie.“
Zukunftsperspektiven
Noch immer ist nicht vollständig erforscht, warum einige Menschen zur Migräne neigen, während andere lebenslang verschont bleiben. „Genetische Disposition und neurovaskuläre Mechanismen spielen dabei eine Rolle. Die Forschung ist derzeit hochdynamisch“, sagt Primar Lampl. Personalisierte Therapieansätze, die die genetische und biologische Individualität der Patient*innen berücksichtigen, könnten in naher Zukunft neue Maßstäbe setzen. „Ein Ziel bleibt dabei klar: Den Betroffenen zu einem Leben mit deutlich weniger Episoden und mehr Lebensqualität zu verhelfen“, so Prof. Lampl abschließend.