Klinikum Wels-Grieskirchen reduziert Narkosegasverbrauch um 25 Prozent
„Anästhesiegase wie Sevofluran sind vielfach Voraussetzung für Operationen – ihre Anwendung ist medizinisch notwendig und bewährt“, erklärt Karl Kronberger, Assistenzarzt am Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Wels-Grieskirchen. „Weniger bekannt ist, dass diese Gase über die Lüftungssysteme in die Atmosphäre gelangen und dort ein Vielfaches des Treibhauspotenzials von Kohlendioxid entfalten.“ Sevofluran, das am Klinikum bevorzugt eingesetzt wird, ist das umweltverträglichste der gängigen Narkosegase. Dennoch verursacht es über einen Zeitraum von hundert Jahren eine 206-fach höhere Erderwärmungswirkung als CO₂ (Global Warming Potential – GWP100).
Nachhaltigkeit durch Reduktion in der Verschwendung
Eine entscheidende Maßnahme war die konsequente Umstellung auf Niedrigflussnarkosen. Dabei wird der Frischgasfluss (Sauerstoff und Narkosemittel) deutlich reduziert – ohne Einbußen bei der Patientensicherheit. „Wir konnten zeigen, dass viele Geräte aus Gewohnheit höher eingestellt waren, als medizinisch notwendig“, so Kronberger. „Bei kontrollierter Einstellung bringt der niedrigere Gasfluss gleich drei Vorteile: weniger Emissionen, bessere Verträglichkeit für die Patienten und niedrigere Kosten.“ Die Patienten profitieren unter anderem davon, dass das Atemgas feuchter und wärmer ist – ein Effekt, der die natürlichen Funktionen der Atemwege unterstützt und postoperativen Komplikationen vorbeugt. „Durch die Reduktion der Emissionen bzw. genauer ihrer Verschwendung kommt es nicht zur Reduktion der Narkosetiefe. Es besteht keine Gefahr, dass ein Patient weniger tief schlafen würde. Es wird nur die Menge an Frischgas, die bei einer Narkose pro Minute ungenutzt entweicht, reduziert. Die Patientensicherheit ist durch kontinuierliche Messungen der Gaskonzentrationen immer gegeben.“
Bewusstsein schaffen, Verhalten ändern
Der Veränderungsprozess wurde 2023 durch Anregung von Institutsleiter Johann Knotzer und das Engagement Kronbergers unter anderem durch eine interne Fortbildung zum Thema „Grüne Narkose“ angestoßen. Seither wurden zahlreiche organisatorische und technische Optimierungen umgesetzt: „Wir haben in persönlichen Gesprächen mit jungen und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen standardisierte Geräteeinstellungen mit niedrigem Frischgasfluss angeregt, Aufkleber mit Dosierempfehlungen gut sichtbar an den Geräten angebracht, ein Auswertungstool zur kontinuierlichen Verbrauchsanalyse eingeführt und positive Entwicklungen an die Anwender rückgemeldet. Die Maßnahmen sind niedrigschwellig und leicht umsetzbar – der Effekt aber enorm“, betont Kronberger. Trotz steigender OP-Zahlen und längerer Narkosezeiten konnte im Jahr 2024 eine Einsparung von etwa 320 Flaschen Narkosegas erzielt werden, was einem Viertel der veranschlagten Menge entspricht.
Recycling von Narkosegasen
Ein weiterer Ansatz in der Ressourcenschonung von wertvollen Narkosegasen ist der flächendeckende Einsatz von Aktivkohlefiltern, welche die Narkosegase aus der Abluft binden. Spezialisierte Betriebe verwerten die vollen Filter und gewinnen die Wirkstoffe zurück, welche wiederum als Narkosegase im OP verwendet werden können – ein Verfahren, das bereits geprüft und medizinisch zugelassen ist. „Etwa die Hälfte der verwendeten Gasmenge ist technisch rückgewinnbar“, erklärt Kronberger. „Der Rest wird erst mit der Zeit durch den Patienten ausgeatmet und kann nicht wiederaufbereitet werden.“ Dennoch bringe das Verfahren eine deutliche ökologische Entlastung, so Kronberger: „Wird das Narkosegas nicht in Aktivkohlefiltern aufgefangen, gelangt es über die mit medizinischer Druckluft betriebene Anästhesiegasfortleitung in die Atmosphäre. Dafür ist der dauerhafte Betrieb von großen Kompressoren notwendig, was einen erheblichen Energieaufwand bedeutet. Wir wollen mit dem Recyceln der Narkosegase also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einerseits den Wirkstoff der Wiederaufbereitung zuführen und andererseits einen großen Stromaufwand einsparen.“
Nachhaltigkeit als gemeinsamer Auftrag
Am Klinikum werden die bestehenden Narkosegeräte und technischen Einheiten bis Ende 2025 umgerüstet, um Narkosegase durchgängig zu recyceln. Für diese langfristig angelegte Umstellung ist das Commitment der gesamten Organisation entscheidend. „Nachhaltigkeit ist kein Einzelprojekt, sondern ein kontinuierlicher Auftrag, der nur gemeinsam mit den Fachabteilungen umgesetzt werden kann“, betont Markus Stangl, Nachhaltigkeitsmanager des Klinikums. „Das Beispiel der Anästhesie zeigt eindrucksvoll, wie viel Potenzial in durchdachten Maßnahmen und Änderungen von Verhaltensmustern steckt – insbesondere, wenn technische Innovation auf gelebte Verantwortung trifft.“
Für Klinikum-Geschäftsführerin Carmen Katharina Breitwieser ist die ökologische Verantwortung Teil der strategischen Ausrichtung des Hauses: „Als Ordensspital und eines der größten Gesundheitsunternehmen Oberösterreichs tragen wir Verantwortung – für das Wohl unserer Patientinnen und Patienten ebenso wie für die Umwelt. Unsere Trägerinnen, die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz und die Franziskanerinnen von Vöcklabruck, sind uns dabei ein wichtiges Vorbild. Inspiriert von Franz von Assisi, dem Patron des Umweltschutzes, leben sie eine Haltung der Achtsamkeit und Ehrfurcht gegenüber unserer Mutter Erde. Dieser spirituelle Auftrag der Schöpfungsverantwortung prägt auch unsere strategische Ausrichtung: Mit Engagement und Expertise aus dem eigenen Haus zeigen wir, wie moderne Medizin und nachhaltiges Handeln Hand in Hand gehen können.“
Auch Anästhesist Kronberger ist überzeugt: „Viele Lösungen sind längst da, wir müssen sie nur konsequent anwenden. Besonders motivierend ist, dass sich auch erfahrene Kolleginnen und Kollegen für neue Wege öffnen und junge Ärztinnen und Ärzte Nachhaltigkeit aktiv einfordern.“ Neben dem Thema Narkosegas umfasst nachhaltiges Handeln in der Anästhesie weitere Handlungsfelder wie etwa den hohen Wasser- und Energieverbrauch oder die Entsorgung großer Mengen Einwegmaterialien. „Nachhaltigkeit im Spitalsbetrieb gelingt nur gemeinsam – mit engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bereit sind, Routinen zu hinterfragen und aktiv mitzugestalten“, so Kronberger abschließend.
Narkosegase – Umweltbelastung und Einsparungspotenzial im Überblick
Narkosegas |
Global Warming Potential (GWP100) |
Lebensdauer in der Atmosphäre |
Bemerkung |
Sevofluran |
206 |
ca. 1 Jahr |
bevorzugtes Narkosemittel am Klinikum, „grünstes“ der gängigen Gase |
Isofluran |
510 |
ca. 3 Jahre |
deutlich klimaschädlicher als Sevofluran |
Desfluran |
2.540 |
ca. 14 Jahre |
hohes Treibhauspotenzial, wird vermieden |
Für Mensch und Umwelt: Mit Erfahrung und Feingefühl setzt die Anästhesie am Klinikum Wels-Grieskirchen auf Nachhaltigkeit – durch Niedrigflussnarkosen und moderne Aktivkohlefilter werden Emissionen reduziert und wertvolle Ressourcen geschont.
Nachhaltige Maßnahmen am Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Wels-Grieskirchen:
- Umstellung auf Niedrigflussnarkosen
- Reduktion des Gasverbrauchs um 25 % in zwei Jahren
- Einsparung von rund 320 Flaschen Anästhesiegas im Jahr 2024
- Einführung eines Monitoring-Tools zur Verbrauchsanalyse
- Sensibilisierung und Schulung des Personals
- Flächendeckender Einsatz von Aktivkohlefiltern zur Rückgewinnung in Umsetzung
- Geplante technische Umrüstung aller Geräte bis Ende 2025 für umfassendes Gasrecycling
Das Klinikum Wels-Grieskirchen – www.klinikum-wegr.at
Das größte Ordensspital Österreichs ist eine Institution der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz und der Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Mit 35 medizinischen Abteilungen, 1.251 Betten und rund 4.300 Mitarbeitern leistet das Klinikum Wels-Grieskirchen umfassende medizinische Versorgung in Oberösterreich. Der Gesundheitsversorger verzeichnet rund 65.000 stationäre Entlassungen jährlich. Aufgrund seiner zahlreichen Schwerpunkte und Kompetenzzentren bündelt das Klinikum fachübergreifendes Know-how und ermöglicht interdisziplinäre Diagnosen und Behandlungen zum Wohle der Patienten.
Pressekontakt Klinikum Wels-Grieskirchen
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